Indiens Wirtschaft wächst mit über 7 Prozent jährlich so schnell wie keine andere weltweit, doch für Millionen junge Menschen bleibt der Weg zu gut bezahlter Arbeit versperrt. Eine Reuters-Umfrage unter 50 unabhängigen Ökonom*innen legt nahe, dass die offizielle Arbeitslosenquote von 5,6 Prozent im Juni massiv unterschätzt ist, viele Expert*innen gehen von etwa dem Doppelten aus. Grund sind veraltete statistische Definitionen, die genutzt werden. Laut Periodic Labour Force Survey gilt bereits eine Stunde Arbeit pro Woche als Beschäftigung. Das führt dazu, dass auch unbezahlte Familienarbeit oder Subsistenzwirtschaft als „Jobs“ gezählt werden, was wiederum international kaum vergleichbar sei.
Kritiker*innen wie Pranab Bardhan (UC Berkeley) und Jayati Ghosh (University of Massachusetts) sprechen von Augenwischerei. Unterbeschäftigung sei die Regel, Löhne stagnierten oder seien real gesunken, während der Reichtum der Eliten explodiere. Duvvuri Subbarao, ehemaliger Gouverneur der Reserve Bank of India, verweist zudem auf die Jobstruktur, wachstumsstarke Sektoren wie IT oder Finanzen seien wenig arbeitsintensiv, während das verarbeitende Gewerbe vernachlässigt werde. Mehrere Befragte fordern deshalb eine gezielte Industriepolitik, Investitionsanreize und bessere Qualifikationsprogramme, um hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen.
Ein Viertel der Befragten verteidigt hingegen die offiziellen Daten als methodisch solide. Doch selbst sie räumen ein, dass diese nicht die ganze Realität abbilden. Für Frauen könnte es nach jetzigem Trend noch zwei Jahrzehnte dauern, bis ihre Erwerbsquote dem G20-Durchschnitt entspricht. In einem Land mit über 1,4 Milliarden Einwohner*innen stellt sich so die zentrale Frage: Wird Indiens Wachstum weiter an der Mehrheit vorbeigehen, oder gelingt es, die „Jobless Growth“-Falle zu durchbrechen?
Mehr dazu hier: https://www.reuters.com/world/india/official-india-jobless-data-is-not-accurate-say-top-independent-economists-2025-07-22/