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Größte Demokratie der Welt scheitert

Modis Beteiligung an Joe Bidens Gipfel für Demokratie sieht seltsam aus, sogar unangenehm, wenn man bedenkt, welche Rolle er bei dem demokratischen Niedergang in Indien spielt. Der Demokratiewächter Freedom House hat diesem Niedergang Rechnung getragen, als er Indien Anfang des Jahres zu einem „teilweise freien“ Land herabgestuft hat. Einige demokratische Indizes haben begonnen, Indien als „fehlerhafte Demokratie“ zu bezeichnen, andere betrachten das Land gar nicht mehr als Demokratie. Die preisgekrönte Journalistin Rana Ayyub meint, dass es unter dem „Anschein von Demokratie“ erhebliche Risse gibt. Einer der prominentesten Risse entstand 2019, als die indische Regierung die verfassungsmäßig verankerte Autonomie von Jammu und Kaschmir widerrufen hat. Ein Schritt, den Beobachter*innen innerhalb und außerhalb des Landes als Modis Methode betrachteten, die Macht des einzigen muslimischen Bundesstaates in Indien an sich zu reißen. Ein weiterer kam im selben Jahr mit der Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes (Citizenship Amendment Act), der Muslim*innen in Nachbarländern von der Asylsuche in Indien ausschloss und einen religiösen Test für die Staatsbürgerschaft einführte. Der vielleicht sichtbarste Riss war die Bereitschaft der Regierung, abweichende Meinungen zu unterdrücken, sei es durch den Einsatz von Polizei und Sicherheitskräften, um Proteste niederzuschlagen, oder durch die Einschüchterung, Festnahme und Inhaftierung von Journalist*innen, die kritisch über Modi oder BJP berichten. Indien ist seit langem nicht mehr empfänglich für Kritik von außen, selbst von seinen engen Partner*innen. Jede sinnvolle Veränderung muss deshalb von innen vorangetrieben werden. Doch trotz einiger politischer Rückschläge ist Modi weiterhin beliebt. Viele Menschen bemerken vielleicht nicht einmal, dass etwas mit der Gesundheit der indischen Demokratie heute grundlegend nicht stimmt. „Die meisten Leute verwechseln Demokratie mit regelmäßigen Wahlen“, sagt Yashwant Sinha, ehemaliger Regierungsminister, der 2018 aus Protest gegen die illiberale Wende der BJP verließ. Weniger geschätzt werden die Mechanismen, die die Existenz der Demokratie ermöglichen: eine unabhängige Justiz, verfassungsrechtlich verankerte bürgerliche Freiheiten, eine freie Presse.

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www.theatlantic.com/international/archive/2021/12/journalist-rana-ayyub-indian-democracy/620924/